Don Quijote, Jesaja und Jesus

Don Quijote, Jesaja und Jesus – der Traum von einer neuen Welt

Liebe Leserinnen und Leser,

Don Quijote – ein bibeldicker Band mit den Erlebnissen des Ritters von der traurigen Gestalt. Seit Kindertagen kenne ich seine sagenhaften Geschichten … wie Don Quijote gegen Windmühlen kämpft, weil die ihm als Riesen erscheinen. „Du bildest Dir das alles nur ein!“, versucht ihn sein treuer Knecht Sancho Pansa ins Lot zu bringen. Aber Don Quijote beharrt auf seiner Sicht der Welt: „Das liegt an einem bösen Zauberer, der die Riesen in Windmühlen verzaubert hat!“, behauptet er. Und so hält er Hammelherden für feindliche Heere, Schläuche für Riesen und schwärmt für die stämmige Magd Dulcinea, die für ihn eine liebreizende Edeldame ist. Es ist wunderbar zu lesen, wie ihn all das immer mehr anspornt, „als Beauftragter Gottes die Gerechtigkeit zu vollstrecken“.

Ob er wahnsinnig ist oder er die Welt absichtsvoll so verwandelt, wie er sie sich erträumt? Die Erzählung löst dies nicht auf. Die Leser:innen aber sind mehr und mehr ergriffen vom Kampf dieses verrückten Ritters gegen die Entzauberung der Welt. Sie nicken ihm lächelnd zu, wenn sich ihm die Windmühlen, das Symbol für eine technisch-rationale Welt, zu mythischen Riesen verwandeln. Mit seiner Verrücktheit versucht Don Quijote die Welt der edlen Höflichkeit, der Liebe und der mythischen Wahrheit zu retten. Und durch seinen verrückten Humor und seine Güte wachsen in den Leser:innen der Wunsch und die Sehnsucht: Diese Welt könnte auch anders sein.

„Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. […] Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein kleines Kind wird seine Hand ausstrecken zur Höhle der Natter. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt.“

An jedem Weihnachtsfest sprechen wir uns zu, dass diese Vision Jesajas mit Jesu Geburt angebrochen ist. Es ist die Vision eines neuen, friedlichen Herrschers, die der Prophet ersonnen hat – inmitten traumatisierender Kriegserfahrungen. Seine Friedensvision bezieht sich dabei nicht nur auf uns Menschen, sondern auch auf die Natur. Immer leidenschaftlicher spricht Jesaja von diesem Friedensreich, in dem nicht nur die Tiere untereinander, sondern auch Mensch und Tier versöhnt miteinander leben können. Ja, die ganze Schöpfung kann sich verwandeln, prophezeit er.

Es ist eine verrückte Vision des Lebens. Aber jedes Jahr Weihnachten sprechen wir sie uns neu zu und stärken dadurch unsere Sehnsucht: Diese Welt könnte auch anders sein. Es ist diese Sehnsucht, durch die in uns die Verwandlung beginnt.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit.

Dr. Jörn-Michael Schröder (Superintendent im Ev.-luth. Kirchenkreis Syke-Hoya)

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